BAUMGESICHT
HAUBENPINGUIN
FRIEDOLIN
Im Taunus in Oberursel
wuchs am
Urselbach die Birke
„fröstelnde Frieda“ heran.
DIE BIRKE
FRÖSTELNDE FRIEDA
von Oberursel / Hessen
Die Birke war sehr klein und zart und
sie bibberte schon, wenn auch nur das leichteste Windchen blies. Weil sie so
schnell fror, war ihr im Herbst schon vor dem kommenden Winter bang und ihre feinen
Blättchen zitterten, wie sonst nur Espenlaub.
Wenn es Winter wurde,
fielen die
Blätter der fröstelnden Frieda viel früher schon von den Ästen, als es die Blätter
all der anderen Birken taten.
DIE BIRKENZEISIGE
in Oberursel / Hessen
Eines schönen Tages
flog ein Schwarm Birkenzeisige
durch die Wälder des Taunus.
Die weit gereisten Zugvögel
landeten
auf der Birken,
die im hessischen Städtchen
O B E R U R S E L
den Urselbach säumten.
Von den Wipfeln der Bäume im schönen Taunus zwitscherten die Zeisige Lieder und Geschichten aus ihrer fernen Heimat, der tasmanischen Maquarieinsel, die sich südlich im Pazifischen Ozean
aus dem Meer erhebt.
Die Birken lauschten andächtig den Erzählungen der
Birkenzeisige.
Die
Bäume am Mühlenwanderweg und deren Bewohner erfuhren so von den Zeisigen viel über die australische, subantarktische
Maquarieinsel, über die dort ansässigen Lebewesen und die klimatischen Bedingungen
auf der Insel.
Als die fröstelnde Frieda zum ersten
Mal von einem Birkenzeisig erfuhr, dass es auf dessen Heimatinsel flugunfähige
Seevögel gibt, die sich dem Leben in extremen Kältezonen der Erde hervorragend
angepasst haben, war sie so neugierig und wollte alles wissen über die Pinguine,
die nicht frieren. Frieda beneidete die Pinguine um deren
dicke Fettschicht und um die wasserdichten Federn, die gleichmäßig über ihren ganzen
Körper verteilt sind. Wenn die Birkenzeisige sangen, hörte die kleine Birke so
gespannt deren Erzählungen zu, dass sie während dieser Zeit nicht einmal
bemerkte, wie kalt es war.
FRIEDOLIN
DER HAUBENPINGUIN
Die Geschichte von „Friedolin“ dem
Haubenpinguin hatte es der Birke Frieda besonders angetan,
nicht nur wegen
ihrer Namensverwandtschaft.
Der weitgereiste Birkenzeisig hatte
Frieda berichtet, dass der Haubenpinguin, Friedolin, der winzigste Pinguin
seiner Art gewesen war, den er je gesehen hatte.
Obwohl Haubenpinguine meist nur das zweite
größere Ei ihres Geleges ausbrüten, weil sie mehr als ein Junges nicht ernähren
könnten, hatte eines der Pinguinpaare, die im Frühjahr zum Brüten auf die
Maquarieinsel gekommen waren, eine Ausnahme gemacht von dieser
evolutionsbedingten erfolgreichen Methode für das Überleben ihrer Art.
Das zweite Ei, aus dem Gelege dieser
jungen erwartungsvollen Pinguin-Eltern, die ihr Nest etwas zu nah am Meer
gebaut hatten, war von einer gewaltigen Welle ergriffen und gegen die Felsen
geschleudert worden. Das Pärchen hatte verzweifelt und entsetzt mit ansehen
müssen, wie ihr großes Ei an einer der vielen Klippen, die es dort gab, zerschellte
und wie es sich schäumend mit der weißen Gischt vermischt und diese gelb gefärbt
hatte.
Nach diesem schmerzlichen Verlust
waren das Weibchen und das Männchen Pinguin sehr erleichtert, als sie sahen,
dass ihr kleines erstes Ei noch im Brutloch lag und verschont geblieben war. Sie
beschlossen, all ihre Fürsorge diesem ihnen verbliebenen Nachkommen zu widmen. Trotz
des Gespöttes und des Unverständnisses der anderen Pinguine der Kolonie, brüteten
sie das kleine Ei aus.
„Was für eine vergebene
Liebesmüh! Dieses Junge wird nie stark genug werden.“ klugscheißerten
die alten Pinguine. Viele der anderen brütenden Paare spotteten und machten
Witze über die Größe des wirklich sehr kleinen Pinguin-Ei‘s.
Die liebevollen Eltern aber ließen
sich nicht beirren. Sie taten alles, damit der kleine Pinguin sich entwickeln
konnte. Sorgsam drehten, wärmten und wendeten sie das Ei.
Als der kleine Winzling dann endlich
nach 33 Tagen geschlüpft war, war die Freude Rießen groß. “So ein süßes Kerlchen“ - viel, viel kleiner als
all die anderen Jungen in der Pinguinkolonie war es. Der Kleine strecke den
Eltern sein Schnäbelchen entgegen. Fast allein hatte das Pinguinküken die
Eischale aufgepickt. Seine Eltern hatten nur ein bisschen mitgeholfen, damit
ihr Küken die nicht mehr benötigte Schutzhülle unbeschadet verlassen konnte.
„Friedolin“,
das reimt sich gut auf Pinguin. „Ja – Friedolin - so
nennen wir ihn.“- hatten überglücklich Mama und Papa Haubenpinguin
gejubelt und Friedolin hatte vergnügt gepiepst.
„Ihr braucht dem Kleinen gar
nicht erst einen Namen zu geben, er wird gewiss nicht lange überleben.“
versuchten Tanten und Onkel Haubenpinguine im Chor mit vielen ihrer Pinguin-Nachbarn
durch ihre Ratschläge und mit ihren düsteren Vorhersagen die Freude des jungen
Pinguin-Paares zu dämpfen, damit die Beiden nicht zu sehr leiden müssten, wenn
bei ihrer Brut etwas schief gehen würde. Einige dieser Verwandten und Bekannten
aus der Kolonie hatten schon schlimme Erfahrungen in der rauen Wildnis machen
müssen oder aber von solchen gehört.
Die jungen Eltern aber verbaten sich
diesen fürchterlichen Pessimismus ihrer Artgenossen.
„Gebt endlich Ruhe.“ sagten
sie „Hoffnung, ja Hoffnung braucht es vor allem zum
Überleben …“
„Wir kriegen dich schon
groß“ sagten sie zu ihrem kleinen Friedolin. Alsdann stürzte sich Mama Pinguin
in die Fluten, um Nahrung zu finden für sie alle Drei. Während der Abwesenheit
der Mutter wärmte und schütze der Papa den Kleinen. Von ihren Tauchgängen kam
die Mama Pinguin meist mit genug Krill und kleinen Fischchen zurück, um ihre
kleine Familie satt zu bekommen. Ihr Küken und der Papa bekamen ausreichend und
gutes Futter. Später hatten sich die Eltern abgewechselt. Sie waren zu einer Arbeitsteilung
übergegangen. Beide betreuten und verpflegten ihren kleinen Friedolin
fürsorglich.
Die Eltern hatten viel Freude an dem
kleinen Friedolin, der so ein lebenslustiger Pinguin war. Trotz seines
Zwergenwuchses stand er den anderen Pinguinküken in nichts nach. Er war zwar zart
aber trotzdem kräftig - und mutig war er. Und meistens war er gut gelaunt.
Als Friedolin alt genug war, um in
den Pinguin-Kindergarten zu gehen, war er anfänglich wieder einmal vielem Gespött
ausgesetzt. Die größeren Pinguine seiner Altersklasse übten sich in
Revierkämpfen, wie sie es bei ihren Eltern gesehen hatten. Sie glaubten, bei so
einem kleinen Pinguin hätten sie ein leichtes Spiel. Aber da hatten sie sich
getäuscht. Friedolin ließ sich nicht unterkriegen. Versuchten die Großen ihn zu
vertreiben, blieb Friedolin erhobenen Hauptes und mit ausgestreckter Flosse stehen.
„Bis hierhin und nicht weiter.“ sagte Friedolin.
Er behauptete sein Revier, das kleine Fleckchen Erde, auf dem er stand, ohne
viel Tamtam darum zu machen. Er rührte sich einfach nicht vom Fleck. Die Schreihälse
ließ Friedolin schreien, er hörte nicht hin und ließ sich auf keine
Diskussionen mit ihnen ein.
Spielerisch lernten die Pinguine im
Kindergarten vieles, was ihnen in ihrem späteren Leben von Nutzen sein sollte.
Friedolin war immer sehr aufmerksam gewesen, wenn es etwas zu lernen gab. Bereitwillig
zeigte er den Pinguinkindern, die nicht so schnell alles verstanden hatten, das
was er gelernt hatte. Bald war Friedolin auch im Kindergarten sehr beliebt.
Weil er oft mit ihnen scherzte und
sie zum Lachen brachte, mochten besonders die Pinguin-Mädchen den kleinen Friedolin
sehr gern.
Friedolin war immer in Bewegung.
Man
sah ihn nur selten langsam watscheln.
Meistens hüpfte Friedolin und wenn er
glücklich war, dann sprang der kleine schwarzweiße Punkt wie wild über die Steine
und Eisschollen.
Friedolin flatterte mit seinen schmalen Flossen, den Flügelähnlichen,
die fürs Fliegen zu kurz geraten und wahrlich ungeeignet waren. Auf und ab bewegte er die
Stummel-Flossen so als wolle er gleich losfliegen und hüpfte und tanzte. Das sah
so lustig aus, dass sogar die ewig Ernsten unter den Pinguinen sich vor Lachen
ihre Bäuche halten mussten. „Wir Pinguine können
doch gar nicht fliegen …“ lachten alle „Ha,
hahaha …“ „Versuche es doch lieber mal mit schwimmen.“
Als Friedolin zum ersten Mal ins Meer
gesprungen war, da war ihm sehr schnell klar. Das Wasser, das war sein Element.
Bald schwamm er allen davon und drehte die wundervollsten Pirouetten. Pfeilschnell
wie er war, hatten seine Feinde keine Chance ihn zu fangen. Die Vögel, die ihn
an Land ausgelacht hatten, weil er nicht fliegen konnte, die waren jetzt stumm.
Sprachlos vor Bewunderung waren sie, als sie sahen, wie wendig und grazil der
stromlienförmige kleine Körper des Pinguins durchs Wasser schnellte.
Als eines bitterkalten Tages ein
Birkenzeisigküken von einem Felsenvorsprung abgerutscht war, ins Meer gestürzt und
in den Fluten des Pazifischen Ozeans um sein Leben gekämpft hatte, da war der
kleine Friedolin rechtzeitig zur Stelle gewesen. Auf seinem Rücken trug er das
erschöpfte Küken, das viel Wasser geschluckt hatte, ans Land. Das kleine
Birkenzeisigküken erholte sich zum Glück. Die Birkenzeisige feierten den
Pinguin Friedolin, den Lebensretter, als ihren Helden. Überall taten sie fortan
kund, was wahre Größe ist und das sich diese nicht in Zentimetern messen lässt.
Der Kleinste der Pinguine, der war für die Zeisige der Größte.
Seine Zeisig-Mama war es gewesen, die der Pinguin Friedolin damals aus den Fluten des Meeres gerettet hatte. Die Birkenzeisig-Mama hatte mit all ihren Jungen oft den Pinguin besucht.
Als der Birkenzeisig auf einem von
Friedas Ästen gelandet war, glaubte er an deren Stamm einen Pinguin erkannt zu
haben. „Schwarz und weiß so sah auch der kleinste
Pinguin auf der Maquarieinsel aus, wie die Farben deiner Rinde.“ trällerte
der Zeisig froh und er besuchte Frieda, mit dem Pinguin-BaumGesicht so oft er
nur konnte.
Friedas schwarzweiße Rinde war im
Laufe der Zeit kräftiger geworden und seid sie sich dem Haubenpinguin Friedolin
verwandt fühlte, war sie auch nicht mehr so wetterfühlig. Manchmal freute sie sich jetzt sogar auf die Zeiten, in denen weißer Schnee vom Himmel viel. Wurde es ihr doch einmal zu kalt in ihrem Winterkleid, dann machte sich die Birke warme Gedanken halt.
Die Birke Frieda weiß wohl, wenn der Birkenzeisig wieder „tschett, tschett“ singt:
Der nächste Frühling kommt bestimmt.
