Das BaumGesicht,
der vermutlich ältesten Eiche Berlins
Die Eiche „DICKE MARIE“
an der Malche in Berlin-Tegel
wurde ca 1192 gepflanzt
NASHORN ALEPH
In grauer Vorzeit, in
den frühen Tagen der Weltgeschichte, als die Menschen noch mit den Tieren
sprechen konnten, wurde Aleph geboren.
Aleph war ein winziges
und außerordentlich entzückendes Nashornbaby.
Ihre Mutter war
ungeheuer stolz auf ihr Kind und zeigte es jedem, der es sehen wollte und
übrigens auch allen anderen.
Neben ihrem Liebreiz war
Aleph aber auch noch außergewöhnlich klug und charmant wenngleich nicht ganz
frei von Eitelkeit. Und so erfand sie schon in frühen Jahren eine Schriftsprache,
die es allen Tieren und Menschen ermöglichen sollte, durch Zeichen zu
kommunizieren. Ihre Hieroglyphen benannte sie dann auch nach ihrem eigenen
Namen: Alphabet.
Zunächst lachten alle über ihre Erfindung und nannten sie die übliche Phantasterei versponnener Nashörner. Die Nashörner waren schon immer klüger gewesen als die anderen Geschöpfe und galten gemeinhin als Spinner und Intellektuelle. Forscher vermuteten damals den Sitz eines zweiten Gehirns in deren Hörnern.
Zunächst lachten alle über ihre Erfindung und nannten sie die übliche Phantasterei versponnener Nashörner. Die Nashörner waren schon immer klüger gewesen als die anderen Geschöpfe und galten gemeinhin als Spinner und Intellektuelle. Forscher vermuteten damals den Sitz eines zweiten Gehirns in deren Hörnern.
Als jedoch Alephs Mutter
einmal bei einer Nachbarin die Zutaten für eine köstliche Rübensuppe notierte,
sprach sich sehr schnell der Nutzen dieser neuen Erfindung herum und bald
kursierten Briefe, Notizzettel, Geschichten ja ganze Romane.
Man schrieb die
zierlichen Schriftzeichen mit Pflanzensaft auf Blätter die aus zerkauten
Pflanzen hergestellt wurden dem sogenannten Papyrus.
Aleph wurde nun
bewundert und verehrt und es dauert nicht lange, bis sie zur Königin ihres
kleinen Landes ernannt wurde.
Da sie aber erst
dreieinhalb Jahre alt war, hatte sie mit Politik nicht viel im Sinn und so
wurde sie öfter beim Spielen im königlichen Schlossgarten als beim Regieren
beobachtet.
Glücklicherweise waren
die Nashörner neben ihrer gewaltigen Intelligenz aber auch ungewöhnlich
friedlich veranlagt. Mithin gab es sowieso nicht viel zu regieren und niemand
störte sich an der kleinen Königin.
Bis auf die Ägypter!
Denen war die kleine
Aleph mit ihrer Erfindung von Anfang an ein Dorn im Auge gewesen.
Sie erklärten den
Nashörnern auf schriftlichem Wege, dass die Hieroglyphen und selbstverständlich
auch das Papyrus ihre Erfindung seien, und dass sie das ganze Land mit Krieg
überziehen und jedes einzelne Nashorn enthornen würden, wenn ihre dämliche
Königin weiterhin behaupten würde, die Schrift sei von ihr.
Nun waren die Nashörner
zwar weithin für ihre Friedfertigkeit bekannt aber noch viel berühmter wegen
ihrer unübertroffenen Sturheit.
Ein Rat wurde einberufen
man sprach lange Nächte hindurch und suchte eine Lösung. Nie hatten die
Nashörner bisher kämpfen müssen. Sie waren ungeübt und benutzten ihre Hörner
nur zum Denken. Die Menschen hingegen besaßen Waffen und noch viel schlimmer,
das Feuer.
Am siebten Tag wurde ein
Abgesandter des Rates zu Königin Aleph geschickt.Er fand sie beim Burgenbauen
im königlichen Sandkasten.
"Oh kleine Herrscherin des
Nashornlandes"
hub der Gesandte an.
Verwundert blickte Aleph auf, so hatte noch niemals jemand mit ihr gesprochen.
"Wollt ihr in eurer unendlichen
Weisheit uns aus der Tiefe unserer Not befreien?“
Aleph zog die Augenbrauen
hoch - was wollte der Mann von ihr?
Doch dann, nach und
nach, erfuhr sie die ganze Geschichte. Wütend warf sie ihr Schäufelchen fort,
stampfte schnaubend ins Schloss und knallte ihre Zimmertür hinter sich zu.
Sie hatte die Menschen
noch nie gemocht. Immerzu mussten sie sich gegenseitig die Köpfe einschlagen
weil sie einander Ruhm und Reichtum nicht gönnten. Und jetzt wollten sie ihr
die Hieroglyphen nehmen.
Viele Tage und Nächte
verbarrikadierte sie sich in ihrem Zimmer und verweigerte jegliche Nahrung.
Die Ägypter hatten
inzwischen riesige Armeen an den Rändern des Nashornreiches aufgestellt und
zündeten hier und da schon einzelne Dörfer an. Es drangen Schauergeschichten
von verstümmelten Nashörnern bis in den Palast vor. Doch Alephs Tür blieb verschlossen.
Endlich, nach sieben
langen Wochen öffnete die kleine Königin ihre Tür. Sie war schrecklich
abgemagert und hatte tiefe Ringe unter den Augen.
Der Rat und alle
wichtigen Bürger der Stadt fanden sich alsbald im Thronsaal ein und lauschten
mit Tränen in den Augen dem Rettungsvorschlag ihrer Königin.
Aleph hatte bereits
einen kleinen Ranzen gepackt, in dem sich ein paar Butterbrote und ein wenig
Milch befanden, und verkündete ihren dankbaren Untertanen, dass sie ins Exil
gehen würde. Sie wusste zwar nicht, wo das war, hatte aber gehört, dass sich
bedrohte Herrscher üblicherweise dorthin begaben und war sicher, dass sie
diesen Ort eines Tages finden würde.
Und so stapfte sie auf
ihren kleinen Hufen in den Wald hinein.
Den Ägyptern wurde
sofort ein wichtiges Dokument übergeben in dem stand, dass die Schrift
selbstverständlich ihre Erfindung sei und niemand jemals etwas anderes
behauptet hätte. Der Nashornabgesandte erklärte dem Menschenabgesandten, dass
es sich bei dem ganzen Vorfall lediglich um ein lächerliches Missverständnis
handeln könne und kehrte unter vielen Verbeugungen in sein Land zurück.
Das alles war aber
natürlich nur ein Täuschungsmanöver. Denn Aleph hatte beschlossen die Wahrheit
ins Exil zu bringen und sie dort so lange aufzubewahren, bis der Tag gekommen
war, an dem die Menschen ihre Freude am Kämpfen verloren hätten.
Sie war tief in den
dunklen Wald hineingegangen und wanderte viele Jahre lang immer weiter nach
Norden. Sie überquerte riesige Gebirge, endlose Eisfelder, durchschwamm Flüsse
und Meere, doch nirgends konnte sie das Exil finden.

Endlich, nach sieben
Jahren des Umherirrens, entdeckte sie am Rande eines Sees eine alte Eiche. Hier
gefällt es mir, dachte Aleph, hier will ich bleiben. Sie zog ihre Wanderstiefel
aus, kletterte in den Stamm hinein und fiel dort in einen langen tiefen Schlaf.
Doch allmählich begannen
auch Menschen, sich am Rande des Sees niederzulassen. Sie bauten Häuser und
Schulen, Kirchen und Fabriken. Und die kleine Ortschaft wuchs und wuchs, bis
sie ungeheuer groß und mächtig geworden war.

Ab und an kletterte
Aleph aus ihrem Versteck um ein wenig Nahrung zu suchen und so konnte sie auf
einer ihrer Wanderungen eines Tages ein großes Schild entdecken:
"Berlin" stand dort geschrieben.
"Mein Alphabet" flüsterte sie, knabberte an einem kleinen Pilz und krabbelte wieder in
ihren Stamm hinein.
Immer seltener verließ
sie den Baum, denn niemals zeigten die Menschen die Absicht, ihre Kriegslust
aufzugeben.
Und so verging Jahr um
Jahr, Jahrhundert um Jahrhundert und die Eiche begann allmählich mit ihr zu
verwachsen.
Doch kurz bevor sie ganz
und gar zu Holz geworden war, streckte sie noch einmal ihren Kopf aus dem Stamm
und ritzte mit ihrem Horn ein paar winzige Zeichen in die Rinde.
Wenn man ganz nah
herangeht, kann man sie entdecken.
fotos 2010-09-10: © johanna zentgraf
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